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Auch das Rampenlicht wirft Schatten - Folge 5 - Verena Mackenberg

Verena Mackenberg

Verena Mackenberg arbeitet dort, wo andere Urlaub machen: Sie begleitet neue Ensemble-Künstler auf dem ‚Traumschiff‘ in der Probephase, studiert die Shows mit ihnen ein und bereitet sie auf das oft monatelange Leben an Bord vor. Aber das ist nur einer ihrer Jobs. Die an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien und der Folkwang-Universität in Essen ausgebildete Musical-Darstellerin steht mit dem Sorbischen National-Ensemble in Bautzen auf der Bühne und wird 2024 als Solistin bei der „This is the greatest Show“-Tournee, die Sound of Music Concerts für Semmel Concerts entworfen hat, dabei sein.

Eine Anstellung auf einem Kreuzfahrtschiff wird in der Branche oft mit einem Naserümpfen bedacht. Wer anderweitig nichts findet, geht halt auf ein Schiff. Verena Mackenberg hat dazu ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht. „Ein Schiff ist eine in sich abgeschlossene kleine Welt“, sagt sie. Sie habe dort sehr viel gelernt, vor allem, was das handwerkliche Rüstzeug für ihren Beruf angeht. „Man kann und muss bei einem solchen Engagement sehr viele verschiedene Stile zeigen. Von Schlager über Pop, Rock, Chanson bis zum Musical. Man kann sich ausprobieren, wird choreographisch gefordert, lernt mit Stress umzugehen und zu improvisieren.“ Außerdem gäbe es auf See keine Dresser, keine Make-up-Artists, keine Hairstylisten. Man sei für alles selbst verantwortlich und bekomme daher auch einen guten Einblick in die im Theater oft als selbstverständlich genommenen Aufgaben dieser Berufe. „Ich finde es sehr schade, dass solchen Engagements ein so schlechtes Image anhaftet. Ja, man kann wenig im schauspielerischen Bereich zeigen, aber man lernt definitiv, sich zu präsentieren.“ Sie selbst habe den Produktionsleiter zufällig beim Bundeswettbewerb Gesang kennengelernt. Als er später nach zuverlässigen, guten Künstlern für seine Shows gesucht habe, fragte er bei Verena nach, ob sie vielleicht Lust auf eine Weltreise hätte. 2013 heuerte sie daraufhin auf der MS Amadea, dem heutigen ‚Traumschiff‘, an und blieb bis 2016. Kleinere Rollen in der gleichnamigen ZDF-Serie und deren Ableger ‚Kreuzfahrt ins Glück‘ durfte sie in dieser Zeit auch schon übernehmen. 

Verena Mackenberg schaut vor schwarzem Hintergrund in die Kamera
© Claudia Dilay Hauf

„Wir haben teilweise nachts geprobt, damit wir tagsüber von Bord gehen konnten, wenn wir an besonders interessanten Zielen gehalten haben“

 

Ist das Leben an Bord wirklich so traumhaft, wie man es sich vorstellt? „Es ist ein Unterschied, ob man im Winter oder im Sommer an Bord ist, denn die Routen und die Länge der Reisen sind nicht immer gleich. Im Winter ist es etwas entspannter, da die Gäste oft länger an Bord bleiben und es nicht so viele Wechsel gibt.“ Grundsätzlich sei es auf jeden Fall ein Job, der mit sehr vielen Proben verbunden sei, da verschiedene Shows einstudiert werden müssen. „Wir haben teilweise nachts geprobt, damit wir tagsüber guten Gewissens von Bord gehen konnten, wenn wir an besonders interessanten Zielen gehalten haben“. 

 

Heute ist die 36-Jährige als Assistentin des musikalischen Leiters tätig. Sie betreut das Showensemble bei den Vorbereitungen an Land, die etwa sechs Wochen vor der Einschiffung beginnen. Danach ist sie für eine Reise mit an Bord, bis das Staging steht, sich alle an Bord und mit den dort herrschenden Regeln zurechtfinden und die Shows perfekt sitzen. „Dieses Jahr bin ich ausnahmsweise sogar für zwei Reisen mit dabei. Es geht Richtung Mittelmeer und Kanaren und rechtzeitig zu Weihnachten bin ich dann wieder zuhause“. So sehr man ihre Verbundenheit zu ‚ihrem‘ Schiff spürt und egal mit wieviel Begeisterung sie nach wie vor dabei ist: Herausforderungen birgt die Arbeit auf hoher See dennoch. „Die körperliche Belastung ist enorm. Das Repertoire ist sehr groß, man muss ca. 10 Shows, plus Specials komplett einstudieren. Es gibt immer wieder Durchlaufproben, musikalische und choreographische Proben und sehr viel hartes Training. Das Essen fällt dabei öfter mal aus und auch Schlaf kommt häufig zu kurz.“ Hinzu käme, dass sich die Bühne aufgrund des Seegangs ständig bewege. Selbst bei nicht sehr starkem Seegang bemerke man das und nicht jeder komme gleich gut damit zurecht. Der ein oder andere habe da schon mal mit Seekrankheit zu kämpfen. „Bei starkem Wellengang finden aber keine Shows statt, das ist zu gefährlich“. Alles in allem müsse man auf jeden Fall der Typ dazu sein, längere Zeit auf einem Schiff anzuheuern. „Wir sind im Gegensatz zu den meisten Crew-Mitgliedern in Passagierkabinen untergebracht, was sehr angenehm ist. Aber trotzdem gibt es kaum Rückzugsmöglichkeiten, man kann nicht einfach mal ausflippen oder seine Anspannung rausschreien. Dazu ist das Schiff dann doch zu klein und man ist ja ständig für die Gäste präsent und wird erkannt.“ Bei einer Atlantik-Überquerung sei sie mal zwölf Tage am Stück an Bord gewesen, das sei dann schon lang und man freue sich auf den nächsten Landgang.  

 

Letztlich sei das Schiffsleben aber dem Tourleben an Land sehr ähnlich, streckenweise sogar noch intensiver. „In einem Tourbus ist es tatsächlich noch enger als auf dem Schiff und man kann sich noch weniger aus dem Weg gehen.“ Sie selbst habe damit kein Problem, sie sei jemand, der gerne Gesellschaft um sich habe. Für sie sei die größere Herausforderung, jeden Abend, in jeder Stadt, die gleiche Leistung abzurufen. Gerade zum Beispiel bei Doppelshows sei das nicht immer einfach. „Aber man kann nicht mehr machen, als sein Bestes zu geben. Auch wenn ich mich manchmal über mich selbst ärgere, wenn es nicht so klappt, wie ich es von mir erwarte.“. Hier sei es wichtig, gut auf sich selbst zu achten und sich nicht verrückt zu machen.

 

Verena Mackenberg schaut vor weißem Hintergrund frontal in die Kamera
© Claudia Dilay Hauf

„Ich bin in ein tiefes Loch gefallen“

 

Psychisch habe sie weder auf dem Schiff noch mit dem Tourleben Probleme. Aber als sie nach drei Jahren versuchte wieder an Land Fuß zu fassen und nach einem Musical-Engagement suchte, kamen ihr dann doch Zweifel, ob ihre Entscheidung richtig gewesen war. „Ich musste feststellen, dass alle Kontakte zur Musical-Welt abgebrochen waren und es sehr schwer war, wieder eine Tür aufzustossen.“ Sie habe in dieser Zeit durchaus an ihrem Weg gezweifelt und fast aufgegeben. Als dann auch noch Corona dazukam, sei alles weggebrochen, wofür sie lebe und was sie liebe. „Ich bin in ein tiefes Loch gefallen“, erzählt die Sopranistin. Besonders die geringe Wertschätzung, die Kunst und Kultur in dieser Zeit entgegengebracht wurde, habe sie sehr belastet. „Wir waren die ersten, die schließen mussten und die letzten, die wieder aufmachen durften. Wir waren nicht ‚systemrelevant‘. Dabei bringen wir doch den Menschen Freude, was gerade in einer solchen Zeit sehr wichtig ist.“ Zwar sei sie schon jemand, der grundsätzlich zu Selbstzweifeln neige und gerade Ablehnungen bei Auditons seien für sie nicht immer einfach wegzustecken. „Aber letztlich bin ich doch immer gestärkt aus solchen Rückschlägen hervorgegangen.“ In der Corona-Phase habe sie da deutlich mehr und länger zu knabbern gehabt. Ihre Familie sei ein großer Rückhalt gewesen in dieser Zeit und habe sie aufgefangen. Auch Gespräche und der Austausch mit Kollegen und Freunden hätten ihr sehr geholfen. 

Dabei merke man, dass man nicht allein mit seinen Zweifeln sei. Allerdings könne man nicht immer alles mit Freunden besprechen. Es dürfe daher auch kein Tabu sein, sich professionelle Hilfe zu holen. Sie selbst habe kein Problem damit. „Und ich habe nach Alternativen gesucht, um mich mental zu entlasten.“ So habe sie manchmal einfach keine Nachrichten mehr geschaut und sich kurzzeitig ausgeklinkt. „Ich reflektiere sehr viel, auch das hilft.“ Yoga und Meditation seien nicht so ihr Ding, sie setze sich eher ans Klavier. „Musik hilft und beruhigt mich immer“. Daher habe sie während des Lockdowns auch angefangen für Musikschulen online Gesangsunterricht zu geben. Die Bühne habe sie schon sehr vermisst, aber zum Glück gab es dann doch irgendwann wieder kleinere Auftritte. Und dann kam im Frühjahr 2022 die Anfrage, ob sie bei der ‚The Greatest Show‘-Tour für eine ausgefallene Solistin einspringen könne. Sie ergriff die Chance und daraus ergaben sich weitere Konzert-Engagements. „Ich bin sehr dankbar, wie es sich seitdem für mich entwickelt hat“. 

 

„Man gibt ja immer sehr viel von sich selbst, da ist es schon schwer, zum Beispiel Absagen nicht als Wertung der eigenen Person zu sehen.“

 

Grundsätzlich habe sie nicht das Gefühl, dass psychische Probleme in der Branche zugenommen haben. Vielmehr sei die Wahrnehmung größer geworden. Das Thema werde offener angesprochen, gerade seit sich auch Prominente wie zum Beispiel Kurt Krömer oder Thorsten Sträter öffentlich dazu bekannt haben, an Depressionen zu leiden. Psychische Erkrankungen habe es bei Künstlern schon immer gegeben, aber jetzt spreche man eben auch darüber. Natürlich sei es nicht immer einfach, die mit dem Beruf oft verbundene Ablehnung nicht persönlich zu nehmen. „Man gibt ja immer sehr viel von sich selbst, da ist es schon schwer, zum Beispiel Absagen nicht als Wertung der eigenen Person zu sehen.“ Deswegen sei es besonders wichtig, sich selbst und seines Handwerks sicher zu sein, zu wissen, wer man als Künstler sei und in sich zu ruhen. Es brauche Neugier, Geduld und Durchhaltevermögen in diesem Beruf. Man müsse brennen für ein Bühnenleben und die Hoffnung nicht aufgeben, auch wenn es nicht immer laufe wie geplant. Auch harte Arbeit gehöre dazu. Die sei allerdings, so ihre persönliche Wahrnehmung, nicht mehr so ‚in‘. Junge Menschen stellten sich das Geldverdienen häufig deutlich einfacher vor, da die sozialen Medien dies auch oft so vorgaukelten. Aber selbst der Job eines Influencers sei mit viel Arbeit verbunden. Corona habe da sein Übriges getan. „Die jetzige Generation von Absolventen hat viel online-Unterricht gehabt, sie hatten häufig noch gar keine Chance, harte Arbeit kennenzulernen.“  Auch auf Teamgeist und Zusammenhalt wirke sich das fehlende Miteinander während der Lockdowns aus.  

 

In einem großen Musical zu spielen sei aber immer noch ihr Traum. „Bei allem Frust und aller Ablehnung, wenn ich auf der Bühne stehe, gibt es mir so viel, das wiegt die Herausforderungen auf jeden Fall auf.“ Man müsse sich immer wieder bewusst machen, dass auch ein Hobby, das man zum Beruf macht, anstrengende Seiten hat. „Es ist ganz wichtig, sich den Spaß daran zu erhalten.“ 

 

Verena Mackenberg lehnt ganz in Schwarz an der Wand
© Claudia Dilay Hauf

„Irgendjemand macht es immer für weniger Geld“

 

Würde sie etwas an der Branche verändern, wenn sie es könnte? Ja, da würde ihr schon etwas einfallen. Sie wünsche sich teilweise mehr Mut bei den Besetzungen. Ganz oft liefen die Besetzungen über Netzwerke oder Beziehungen, was auch erkläre, warum man immer wieder die gleichen Namen lese. Als Newcomer habe man es da meist schwer. Sie verstehe, dass man bekannte Zugpferde brauche, aber eine größere Durchmischung zwischen alt und neu stehe ebenso auf ihrer Wunschliste wie ein festgelegtes Mindestgehalt für Darsteller. Denn „irgendjemand macht es immer für weniger Geld“. Da fehle es teilweise auch an Solidarität unter Künstlern und es gebe immer wieder Kollegen, die sich unter Wert verkaufen. Leider werde auch in der Kulturbranche Profit häufig über die Qualität gestellt und das sei „das Schlimmste, was man Kunst antun kann.“ 

 

An alle Zuschauer appelliert sie: „Geht ins Theater!“ Viele seien immer noch ängstlich oder vielleicht auch bequemer geworden durch die lange Schließung. „Aber nichts ersetzt das Live-Erlebnis!“ Es müsse nicht immer nur der Weltstar für 500€ pro Ticket sein, auch kleinere Konzerte seien qualitativ hochwertig und böten viel für Ohr und Auge. 

 

Danke, Verena, für diesen interessanten Einblick und dein Herzblut!

Mental Health Tipp:

 

Eine plötzliche Veränderung der Lebensumstände wie der Tod eines Familienmitglieds, Scheidung, Umzug, Jobverlust oder auch eine Pandemie mit gravierenden Folgen wie dem Lockdown, Existenzangst und Arbeitslosigkeit sind eine große psychische Belastung. Je nach Resilienz des Betroffenen können solche Ereignisse besser oder schlechter verarbeitet werden und man kommt mit der neuen Lebenssituation besser oder schlechter zurecht. Wenn es jemand nicht schafft, sich aus eigener Kraft, aus dem wie Verena es nannte, „tiefen Loch“ zu befreien und sich mit den neuen Gegebenheiten zurechtzufinden, spricht man (bis zu sechs Monate nach Abschluss des belastenden Vorkommnisses und seiner Folgen) von einer ‚Anpassungsstörung‘. Sie äußert sich häufig in einer kurzen depressiven Episode, Angstzuständen, Störung des Sozialverhaltens  oder in einer Mischung dieser Symptome. Sich Alternativen zu suchen, Möglichkeiten der mentalen Entspannung zu nutzen und seine Ressourcen zu aktivieren, um das Beste aus der neuen Situation zu machen, sind wertvolle Hilfen.

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